Eine Tasse Tee mit ANNA-MARIA SCHMIDER

Ich freue mich sehr, die Tasse Tee heute mit meiner Cousine Anna-Maria zu trinken und ihr dabei einige Fragen zu stellen.

Anna-Maria arbeitet in der Medienbranche und wohnt aktuell in Berlin. Sie ist ein absoluter Freigeist, liebt das Meer, die Sonne und Ofenkäse (ich kenne keinen Menschen, der das Essen von Ofenkäse so sehr feiert wie sie).

Im Interview erfährst du unter anderem, was Liebe mit Berufung zu tun hat und welchen Wert persönliche Begegnungen mit Menschen für Anna haben.

Freu dich auf einen Schreibstil voller Lebenslust und Liebe. Viel Freude beim Berühren-lassen.

 

 

 

Wie würdest du deine Berufung beschreiben?
Okay das hört sich jetzt vielleicht blöd an, aber ich schreibe einfach das auf, was mir als erstes in den Sinn kommt: Liebe Sein. Ich hab mal irgendwo gelesen, dass Liebe das Gegenteil ist von Angst und ehrlich gesagt hatte ich schon viel zu viele Berufe, in denen ich Angst hatte die Erwartungen nicht zu erfüllen. Diese Angst löst in mir Perfektionsdruck aus und ich verplempere viel zu viel Zeit, wenn ich alles zu genau machen will. Deshalb weiß ich, dass ich meine Berufung lebe sobald ich keine Angst mehr habe zu versagen. Ich spüre schon genau, wann diese Momente da sind: wenn ich tanze, singe, schreibe, mit Menschen ins Gespräch komme, zuhöre und sie sehe. Wirklich sehe. Ich möchte mit anderen in Verbindung sein und die unterschiedlichsten Menschen miteinander verbinden. Wie genau ich das anstellen kann weiß ich gerade noch nicht, es gibt wie gesagt immer nur diese kleinen Lichtblicke in denen ich fühle „aha, jetzt“.

Zum Beispiel wenn ich ein Improvisations-Konzert organisiere und den Teilnehmern sage „folgt einfach einmal euren Impulsen“ und dann erleben kann, wie eine Person nach der anderen aus sich heraus kommt, inklusive mir selbst.

Es ist lustig, sobald jemand eine bestimmte Schwelle überschreitet wird automatisch die Tür geöffnet für alle anderen, auch hindurch zu gehen. Jemand ruft laut „oh yeah, chacka lacka“ und lacht und alle lachen mit und wissen, dass das jetzt sein darf. Plötzlich traut sich jemand, einen dance move zu machen und sieht dabei im ersten Moment echt super komisch aus aber hey, jetzt ist es raus und alle können tanzen wenn sie wollen :)

Jemand hat es vorgemacht und signalisiert, dass es nicht mehr peinlich sein muss. Dadurch kommt jemand auf die Idee, ein eigenes Gedicht vorzulesen, einfach so...dabei war es doch eigentlich gar nicht dafür gedacht, von anderen gehört zu werden. Bum! Da ist es, und es hat den ganzen Raum berührt. Und weiter gehts, wie eine Spirale.
Ich glaube das ist meine Berufung. Impulse geben, auch selbst aus mir herauskommen, keine Angst haben - Liebe sein.

Was liebst du besonders bei deiner Arbeit?
Ich arbeite im Künstlermanagement und liebe besonders den Moment, wenn ich Künstler*innen zum ersten Mal persönlich begegne. Ich habe dabei schon die schönsten Überraschungen erlebt, meistens dann wenn die Person „in echt“ so ganz anders ist als das, was in der Öffentlichkeit bisher von ihr zu sehen war.

Auf Instagram, YouTube und Co. zeigen manche nur eine bestimmte Facette und ich bin dann ganz erstaunt, wenn ich im persönlichen Gespräch plötzlich erkennen kann, wer die Person wirklich ist, was sie bewegt, was sie vielleicht aufregt (Wut kann eine tolle Energie haben, wenn man sie umkehrt und für Fortschritt nutzt), was sie liebt und wen sie wertschätzt. Ich sehe es als meine Aufgabe, sie dabei zu unterstützen ihr „ganzes Ich“ zeigen zu können und das bedeutet eben nicht, so viel Persönliches aus dem Alltag auf Social Media zu teilen wie nur möglich.

Die Frühstücksbowls-, Mittag- und Abendessen-Fotos dieser Welt kennen wir jetzt alle zu Genüge. Es geht vielmehr darum, authentisch zu sein und das ist sehr viel leichter gesagt als getan. Denn was „sich zeigen“ immer mit sich bringt ist eine gewisse Unsicherheit, vielleicht aus Angst vor der Bewertung von Außen. Aber ich sag’s euch, wer diese Sorge irgendwann von sich abschütteln kann hat den Jackpot geknackt. Dann kann alles zum Ausdruck kommen, was in einer Seele steckt und das ist glaube ich sehr befreiend und auch inspirierend für andere.

Was sind deine Werte?
Selbstliebe (yes, das hat nichts mit Egoismus zu tun, hat bei mir aber auch ein Weilchen gedauert bis ich das endlich gelernt habe)
Auf die eigene Intuition hören und dann: Verstand ausknipsen und einfach machen
Mitgefühl

Welches Thema begleitet dich aktuell?
Der Tod. Ich habe in den letzten zwei Jahren zwei nahestehende Personen verloren, sie sind beide an Krebs gestorben. Einer von beiden war mein guter Freund Guillermo, der einer der mutigsten Menschen war, die ich kenne - ein Macher. Impulsiv, manchmal sogar ein bisschen übertrieben, selten kompromissbereit, direkt und schnelllebig.

Als er die Diagnose bekam sagte er zu mir „Weißt du Anna, jetzt bin ich wirklich froh dass ich immer ans Limit gegangen bin, denn dadurch habe ich mit 25 schon mehr erlebt als andere mit 50.“

Guillermo ist der Typ Mensch, der andere einfach ins kalte Wasser schmeißt und dann lachend hinterher springt. ...der richtig wütend werden kann und explodiert, weil er weiß dass es einfach raus muss und danach ist dann auch wieder gut. ...der unvorbereitet in Meetings geht, weil er sich einfach darauf freut die Menschen dort gleich zu treffen und ihnen nicht nur irgendetwas zu präsentieren, sondern sich mit ihnen auszutauschen. ...der 101 Geschichten erzählen kann von kuriosen Dingen, die er einfach mal ausprobiert hat. Guillermo ist der Typ Mensch, der lieber einmal zu viel sagt „Ich liebe dich“ (auch zu seinen Freunden) als einmal zu wenig. Und Guillermo ist der Mensch, der mir jetzt unbeschreiblich fehlt und dabei manchmal plötzlich doch so nah zu sein scheint. Auch jetzt gerade, während ich das schreibe.

Irgendwie schafft er es, mich von dort, wo er jetzt ist, immer noch zu motivieren, zu pushen und dazu zu bewegen, weniger nachzudenken und mehr zu machen. Ich kann ihn vielleicht nicht mehr besuchen, aber wir sind weiter verbunden.

Hast du ein Lieblingszitat?
Ich schreibe mir so oft Sätze auf, die mich berühren, dass ich gerade nicht wüsste, welchen davon ich als „Lieblingszitat“ hier allen voranstellen würde. Deshalb nehme ich einfach den Satz, den ich mir zuletzt notiert habe:

The wound is
the place
where the light
enters you.

Rumi

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Alica (Dienstag, 01 Dezember 2020 11:50)

    Danke Alexandra und Anna-Maria. Ich bin super Inspierierent von deiner Beschreibung über Guillermo. Es fühlt sich so an als hätte er dein Leben sehr bereichert! Danke das du das mit uns Teilst! �

  • #2

    Stefanie (Freitag, 04 Dezember 2020 19:12)

    Hey Alexandra,
    danke für die tollen Fragen. Inspiriert mich sie mir auch mal selbst zu beantworten.
    Anna_Maria deine Antworten haben mich berührt und entschleunigt, du bist auf deinem einzigartigen Weg sowas von goldrichtig.