Fühlen wir zu viel? Hochsensibilität erkennen und verstehen

Immer lauter, schneller und hektischer scheint unser Alltag zu werden. Dabei prasseln nicht nur äußere Reize wie Werbung, Verkehrslärm oder Unterhaltungsmusik permanent auf uns ein, auch innere Reize, wie zum Beispiel Erwartungen an uns selbst und Gedankenmuster oder –gewohnheiten kommen dazu. Wir nehmen wahr, verarbeiten und interpretieren diese einströmenden Reize – ständig und völlig automatisch. Manches davon geschieht bewusst, das bedeutet wir haben das Gefühl dies beeinflussen zu können, vieles dagegen geschieht zu einem großen Teil unbewusst. Hier spielen unsere vergangenen Erfahrungen, aber auch unsere Sozialisation eine entscheidende Rolle. Wir kategorisieren, unterteilen und bilden uns eine Meinung. Das ist zu einem Teil auch wichtig, um sich zurechtzufinden.

 Doch was hat das mit Hochsensibilität zu tun und was ist Hochsensibilität überhaupt? Der Begriff Hochsensibilität wurde erst in den 1990er Jahren geprägt und ist somit noch recht jung. Die Forschungen dazu stecken noch in den Kinderschuhen. Oft findet man das Kürzel HSP (Highly Sensitive Person) oder eben übersetzt Hochsensible Person. Man geht davon aus, dass etwa jeder fünfte Mensch hochsensibel ist.

 

Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass hochsensible Menschen ausgeprägter und differenzierter wahrnehmen. Fühlen, hören, sehen, riechen und schmecken sind als Sinne stärker ausgeprägt. Oder anders herum gesagt, die eingebauten Filter, die wichtige von unwichtigen Informationen unterscheiden sollen, sind bei HSP durchlässiger. Dies führt dazu, dass „die Speicher“ schneller voll oder überlastet sind. HSP brauchen somit mehr Zeit, um sich zu erholen oder wie ich es gerne sage: um einen Reset vorzunehmen.

 

Wenn man nichts von seiner Hochsensibilität weiß, sich die regelmäßigen Pausen und Zeiten des Rückzugs nicht erlaubt, kann es schnell passieren, dass man seine Sensibilität verteufelt, als negativ erachtet oder weghaben möchte. Doch im Grunde ist dieser Wesenszug ein Geschenk! Und genau so darf er auch behandelt werden!

 

Denn das ausgeprägtere Wahrnehmen führt auch dazu, dass die meisten HSP besonders empathisch und feinfühlig sind, gerade auch für Stimmungen und Energien von anderen Menschen. Gemütszustände, die Atmosphäre in einem Raum mit vielen Personen oder die Ehrlichkeit einer Aussage können oft ganz intuitiv erfühlt werden. HSP sind dadurch auch meist gute Zuhörer. Das bedeutet natürlich nicht, dass ein nicht hochsensibler Mensch, nicht auch einfühlsam oder ein guter Zuhörer sein kann. Aber ich finde es wichtig, dass das Thema der Hochsensibilität mehr ins Bewusstsein rückt. Denn nur so kann ein harmonisches Miteinander entstehen, das von gegenseitigem Respekt und Verständnis geprägt ist. Manche Verhaltensweisen einer HSP können für Außenstehende, die nichts über das Thema wissen befremdlich wirken oder sogar für Kopfschütteln sorgen. Anders herum ist es für HSP auch wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern, dass nicht jeder so denkt, fühlt und wahrnimmt und dies auch vielleicht nicht nachvollziehen kann.

 

Ich denke gerade in dieser Thematik ist ein Perspektivenwechsel sehr hilfreich, denn jeder blickt natürlich zuerst einmal durch seine eigene Brille der Wahrnehmung und schließt dann zu einem Teil von sich auf andere. Doch genau hier verbirgt sich auch ein großes Potential für Unverständnis.

 

Ich freue mich sehr, dass sich das Wissen um die Hochsensibilität in den nächsten Jahren immer weiter verbreitet, sodass letztlich alle davon profitieren können.

 

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